Wir alle sind mit Sicherheit schon einmal in der Lage gewesen, in der wir eine Situation beobachtet haben, bei der wir uns die Fragen gestellt haben: Hätte ich eingreifen sollen und wenn ja, wie hätte ich eingreifen sollen?
Was bedeutet Zivilcourage ?
Zivilcourage oder wörtlich Bürgermut beinhaltet die Bereitschaft und Fähigkeit, die eigene Sicherheit in einer Gefahrensituation zurückzustellen, um sich aktiv für humane und demokratische Werte einzusetzen ohne Rücksicht auf eventuelle Folgen.
Der Begriff Zivilcourage, so wie er im heutigen Sprachgebrauch verwendet wird, wurde 1864 von Otto von Bismarck geprägt. Er warf einem Verwandten vor, ihn in einer Debatte des Preußischen Landtags nicht unterstützt zu haben und grenzte damit den Begriff zum Mut auf dem Schlachtfeld ab.
Heutzutage ist der Begriff Zivilcourage aber eher unverantwortlich, denn er drängt durch gesellschaftliche und mediale Bedeutung zur Heldentat und diese Einstellung ist für die Deeskalation einer Situation unbrauchbar. Viel drastischer jedoch, der falsche Heldenmut führt schnell dazu, dass der Helfer sich selbst in Gefahr bringt. Eine Schlägerei, sondergleichen ihrer Brutalität, ist eine sehr aufgeheizte Situation. Die Reaktionen der involvierten Akteure sind deshalb oftmals nur schwer abzuschätzen. Das bedeutet, dass der Helfer in Not schnell selbst zum Opfer werden kann oder einer der Beteiligten zieht völlig ungeahnt eine Waffe und innerhalb eines Augenblicks verschärft sich die Lage in eine lebensbedrohliche Situation.
Grundlegend zu wissen ist, dass weder Polizei, Staatsanwaltschaft noch das Strafrecht verlangen, dass sich Personen unter Einsatz ihrer eigenen Gesundheit in Strafdelikte einmischen. Zivilcourage oder besser gesagt Nothilfe kann schon dadurch gezeigt werden, dass der Beobachter einer solchen Situation umgehend die Polizei verständigt oder den Notruf wählt. Zeitweise genügt auch ein an den Täter gerichteter Hinweis, dass die Polizei gerufen wurde, um die unübersichtliche Situation z. B. ein Schlägerei aufzulösen und dem Opfer damit Hilfe zu leisten.
Wer aber einfach vorbei geht und noch nicht einmal die Polizei ruft, kann sich wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar machen.
Wie ist die rechtliche Grundlage?
"Notwehr und Nothilfe finden ihre gesetzliche Grundlage in § 32 des Strafgesetzbuches.
Darin heißt es:
(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.
(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
Die Voraussetzungen der Nothilfe sind entsprechend denen der Notwehr.
Insofern ist § 32 Absatz 2 Alternative 2 StGB einschlägig („[…] von einem anderen abzuwenden.)
Damit die Notwehr oder die Nothilfe als Rechtfertigungsgründe greifen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.
Wann und vor allem in welcher Form Nothilfe angebracht ist, hängt also von den genauen Umständen der Situation ab. Nur wenn alle Merkmale erfüllt sind, ist eine derartige Handlung erlaubt."
Wie sich bereits unschwer erahnen lässt ist das aktive Einschreiten und dabei im Rahmen der Rechtsgrundlage zu handeln komplexer als vielleicht vorab angenommen. Deshalb empfehle ich es dir, dich selbst nochmal gesondert mit den rechtlichen Grundlagen bezüglich der Nothilfe, zu befassen. Damit du stets auf der sicheren Seite bist und im rechtlichen Rahmen handelst.
Wer kann betroffen sein? Kurz gesagt: Jeder!
Es gibt keine spezifische Zielgruppe bei Gewalt im öffentlichen Raum. Ausnahmslos jeder kann zum Opfer werden!
Wie verhalte ich mich im Ernstfall?
Tatsächlich greifen Frauen schneller und effektiver ein als Männer. Männer haben zwar die selben Vorstellungen, wie auf Gewalt reagiert werden sollte, wollen aber keine Schwäche zeigen. Bevor sie eingreifen stellen sie sich oftmals selbst die Fragen, wie sie dabei rüberkommen oder ob es peinlich ist, wenn sie sich in den Vordergrund drängen. Außerdem werden psychologische Effekte, die Menschen in bedrohlichen Momenten handlungsunfähig machen, häufig außer Acht gelassen. In der Soziologie wird hierbei vom Bystander- oder Zuschauereffekt gesprochen. Die Zuschauer reden sich die Situation schön, rein nach dem Leitsatz: Wenn es so schlimm wäre, hätte doch schon jemand eingegriffen. Sobald aber Umherstehende aktiv angesprochen werden, löst sich die Starre des Bystander-Effekts und der Drang setzt ein, etwas zu unternehmen.
Aber auch hier gilt: Wer einfach vorbei geht und wegschaut und noch nicht einmal die Polizei alarmiert, kann sich wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar machen.
Schritt 1: Die Situation erkennen!
Damit jemanden geholfen werden kann, muss logischerweise eine brenzlige Situation erst einmal erkannt werden. Nur wer in der Lage ist, solch eine Situation auch wahrzunehmen kann sich selbst und andere schützen.
Schritt 2: Polizei alarmieren, umstehende Menschen ansprechen und um Hilfe bitten!
Zu allererst ist es ratsam die Polizei zu alarmieren oder gegebenenfalls in einer S-Bahn die Notbremse zu ziehen. Es ist wichtig sich schon von Weitem bemerkbar zu machen und bestenfalls sich als Gruppe zu formieren, indem umherstehende Personen um Hilfe gebeten werden. Schon von Weitem zu rufen, dass der Täter aufhören soll, kann in vielen Situation helfen.
Auf gar keinen Fall sollte der Täter am Fliehen gehindert werden, sondern eher im Gegenteil. Dem Täter sollte eine klare Fluchtmöglichkeit aufgezeigt werden. Denn die Priorität liegt hier nicht darauf den Täter zu schnappen, sondern darauf das Opfer zu schützen.
Wird der Täter beispielsweise in die Ecke gedrängt, provoziert oder im schlimmsten Fall noch aufgefordert seinen "Mann" zu stehen und sieht dadurch keine Fluchtmöglichkeit, kann es dazu führen, dass die Situation um ein Vielfaches verschlimmert wird. Plötzlich ist der Täter in die Ecke gedrängt oder fühlt sich dazu gezwungen sich zu beweisen und sieht einen Angriff als einzigen Ausweg aus der Situation.
Sollte aber auch das keine Wirkung zeigen, geht es über zu Schritt 3.
Schritt 3: Das Opfer ansprechen!
Zuerst sollte das Opfer angesprochen werden, dabei sollte der Helfer allerdings nicht planlos handeln, um sich nicht selbst zu gefährden. Wichtig ist dabei das Opfer erst selbst aus sicherer Distanz direkt anzusprechen und zu fragen: „Brauchen Sie Hilfe?“. Erst wenn das Opfer dies bejaht, macht es Sinn sich dem Opfer von hinten zu nähern. Wichtig ist es, dabei den Täter niemals aus den Augen zu lassen.
Hier gilt auch wieder: Täter nicht provozieren!
Sollte der Täter z. B. zusammen mit einer Gruppe auftreten und wird vom Helfenden vor seiner Gruppe als Feigling bloßgestellt, sieht der Täter keinen anderen Ausweg als einen Angriff, um sein Gesicht innerhalb der eigenen Gruppe zu wahren.
Schritt 4: Opfer aus der Gefahrenzone bringen! Stets freundlich bleiben, aber nicht kleinmachen!
Ist der Blick also dem Täter zugewendet, kann das Opfer z. B. am Ellbogen aus der Gefahrenzone herausgezogen werden, ohne das dabei dem Täter der Rücken zugewendet werden muss.
Es sollte sich auf gar keinen Fall auf eine Diskussion mit dem Täter eingelassen werden. Dabei sollte aber stets freundlich geblieben werden, ohne sich dabei kleinzumachen. Auch wenn es in der Situation unerträglich erscheint, ist Freundlichkeit in diesem Moment auf der Straße, U-Bahn oder S-Bahn überlebenswichtig. Denn auch Gewalttäter sind keine Monster und brauchen bzw. warten auf eine Rechtfertigung um zuzuschlagen.
Im Best-Case ist die Situation damit bereinigt und dem Opfer konnte geholfen werden. Sollte aber trotz allen Bemühungen der Worst-Case eintreten und der Täter geht dennoch zu einem Angriff über, kann es dein Leben retten wenn du weißt wie du dich selbst verteidigst und einen Angriff neutralisierst z. B. mit Jiu Jitsu, wie wir es bei Bengez Martial Arts unterrichten!